Buchleseprobe 26: Naraita, Märchen für Erwachsene. Ajesa.
- Petra Schrader
- 18. Feb. 2023
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 25. Juli 2023

Ihr Vater nickte. "Und die Kinder aber sind hier auf dem Gelände großgeworden, alle von ihnen sind heute Bakyo der Keayake, aber Kedi und Barigo sind von Anfang an ganz dicke Freunde gewesen.“ Ajesa staunte: „Deshalb hat Barigo mir erzählt, dass er als Kind an den veta gespielt hat.“ Aryan nickte wieder. „Das war ja sein Zuhause hier.“ „Hatte er hinten an der faro gewohnt? Wo auch Haga wohnt?“ „In diesem Fall haben sie näher am Gelände gewohnt, vorne wo heute die arita steht. Denn Daks Vater wollte, dass Barigos Mutter näher an dem See ist, der ihr ja so gutgetan hat. Hinten ist auch ein See, aber Daks Vater glaubte, dass sie näher bei ihnen sein sollte. Die Seen sind nicht alle genau gleich.“ „Warum wohnen die anderen nicht dort, zum Beispiel Vaha wohnt dort nicht, sondern sie kommt jeden Morgen ich habe es selbst gesehen.“ „Du hast Recht. Wenn eine Frau für uns arbeitet, egal ob auch ihr Mann hier arbeitet oder nicht oder ob sie keinen Mann hat, dann bieten wir ihr an, dass sie auch auf dem Gelände wohnt. Auch dann, wenn sie Kinder hat und vielleicht eine ganze Weile nur wenig oder gar nicht im Dienst ist. Aber diese Frauen verstehen sich als hier zugehörig und geben ihre Kraft oft auf eine mütterliche Art in unsere Dienste, so dass sie ein Teil der großen Familie sind, die hier zusammen lebt. Dafür haben wir die Wohnungen an der Firia, aber auch hinten am kleinen See. Einige Frauen und Familien entscheiden sich dafür, aber nicht sehr viele.“ „Warum nicht?“ „Weil sie ja ein Anrecht darauf haben, auf der Edoa zu wohnen, und dort ist es für viele Familien sehr angenehm, die Wege sind nicht weit, und vieles ist leichter als bei uns auf dem Gelände. Sie können ja bei uns nur sehr schlecht Besuch empfangen, das ist sehr aufwändig mit den Anmeldungen und Schleusungen, sie können nicht so leicht in die Stadt oder abends mal ausgehen oder einkaufen, außerdem möchten nicht alle Familien so nah am Wasser wohnen. Sie haben Sorge wegen ihrer kleinen Kinder, das Baden ist schwieriger, auch mit den Wachen hier, und es gibt viel mehr Schlangen und auch andere Tiere als direkt in der Stadt.“ Ajesa krauste die Stirn. „Neulich war ein Geraschel hinter meinem Schrank. Das war, als ich gerade meine Schuhe holen wollte. Es klang wie ein kleiner Vogel. Ich hatte keine Angst, aber es raschelte.“ Aryan nickte. „War ich nicht da?“ Ajesa antwortete: „Doch, ich wollte zu dir, aber du warst vorne am Pool, und als ich dorthin wollte, da kam Namio gerade. Weil es war schon Abend.“ Aryan nickte. „Und da hat er gleich gesehen, dass du jemanden gesucht hast.“ Ajesa nickte. „Er hat mich auf den Arm genommen und dann sind wir bis vor mein Zimmer gegangen. Dann durfte ich aber nicht mit rein, weil er wollte schauen, ob es vielleicht eine Schlange ist. Und dann kam er wieder heraus, und es war wirklich ein kleiner Vogel! Ein gelber mit weißem Schnabel, und er war ganz ängstlich.“ Aryan nickte. „Ein Gabia wahrscheinlich.“ „Namio hat ihn in seine Hände genomen so wie eine kleine Höhle, und da gefiel es ihm, weil er wurde dann ruhig und hat so fröhlich gefiept, als würde er singen.“ Die beiden lächelten. Ajesa erzählte weiter: „Namio hat gesagt, er würde ihn nach draußen bringen, und er hätte auch nochmal überall nachgeschaut und es wäre nichts anderes da und ich könnte meine Schuhe jetzt anziehen. Da habe ich ihn kurz umarmt, aber so dass ich nicht an den Vogel gekommen bin, um ihn nicht zu erschrecken.“ Aryan lächelte warm. „Das habt ihr toll gemacht zu zweit.“ „Namio passt auf, wenn es Nacht ist.“ „Genau.“ „Und Barigo passt bei Dak auf?“ „So ist es. Zwar ist er ein Keayake, aber er hat einen besonderen Weg, der so gegangen ist und dorthin führte, dass er heute genau wie sein Vater das Team der Anai in Daks Raum führt. Sein Vater war auch ein Anai gewesen, aber er ist ein Keayake. Es ist ungewöhnlich, aber es ist etwas sehr Schönes, weil es auch unsere beiden Abteilungen, die hier eng zusammenarbeiten, gut verbindet.“ „Aber heute wohnt er nicht mehr hier oder.“ „Nein, er wohnt mit seiner Frau oben an der Fariga. Seine Frau ist bei den Kindern, daher kennst du sie nicht, und er ist aber noch jeden Tag hier. Zwar wird er in unserer Abteilung auch woanders eingesetzt, weil dies so notwendig ist, um auch andere Dinge immer wieder zu tun und zu trainieren, aber ich weiß, dass er hier am liebsten ist und dass die Residenz von Dak und alle, die dort wohnen und auf die er aufpaßt in seinem Herzen einen besonderen Platz haben, und deshalb ist er den größten Teil seiner Dienste drüben.“ Ajesa verstand: „Und deshalb war er auch bei der Geburtstagsfeier dabei.“ „Genau. Er gehört da praktisch zu der Familiengemeinschaft dazu, und ich denke schon, dass es etwas sehr Besonderes war, dass sein drittes Kind dort zur Welt kam.“ Ajesa sagte leise: „Aber es ging dem Baby gar nicht gut.“ Aryan nickte. „Ja, es hatte die Nabelschnur um den Hals gewickelt. Aber das ist nicht so schlimm, wir haben ihm ein bißchen geholfen, und dann ging es ihm schnell gut.“ „Ande und du habt ihm zusammen geholfen.“ „Ja.“ „Aber ich konnte es nicht sehen, weil Himei und Kedi haben so Tücher gespannt.“ Aryan nickte. „Ja, die Geburt war schon so weit, dass Emara nicht mehr in Ruhe nach drinnen gebracht werden konnte. Und überall waren ja die Besucher der Feier.“ Ajesa sah ihren Vater an und wirkte betroffen. „Bestimmt hatte sie nicht da ihr Kind bekommen wollen.“ „Nein. Deshalb haben wir die Tücher gespannt, so dass sie einen Raum für sich bekam. Und die Besucher sind auch etwas weiter weg gegangen. So hatte sie sich dann besser gefühlt.“ „Und als ich geboren wurde, hatte ich da auch.. so dass ich das um den Hals hatte?“ „Nein. Ich habe dich etwas abgerieben, aber nur ganz sanft. Am Anfang bekommst du noch Sauerstoff durch die Nabelschnur, und die liegt dann ruhig da und pulst aus, das heißt, dass sie ganz langsam und sanft sich verabschiedet von dir. Weil sie weiß, dass du sie nicht mehr brauchst und jetzt eine eigene Lunge hast. Und dann ging ganz ruhig und zart dein erster Atemzug durch deinen Körper. Das weiß ich noch ganz genau, weil es eine der wunderschönsten Dinge war, die ich jemals gesehen habe.“ Ajesa saß aufrecht. Die Geburt von Kiro hatte sie stark berührt. „Habt ihr auch eine Hitae gemacht dann?“ „Aber ja. Alle sind zusammengekommen, und dann habe ich dir ein Tuch ausgewählt und bin dann in den Kreis gegangen.“ Ajesa sagte: „Das blaue Tuch.“ „Genau.“ „Es ist ja in meinem Zimmer noch. Da ist auch der blaue Stein dabei.“ „Der Eperid.“ „Er ist mein Lieblingsstein.“ „Er ist sehr schön. Er ist aber nicht von der Hitae, denn er ist ja aus der Aroka, den hatten wir an diesem Abend nicht.“ „Er ist von den Kiye!“ Aryan nickte. „Er ist von Rasho, dem obersten Häuptling der Awakai. Er hat ihn für dich aus dem Gebiet des Fabeira-Flusses geholt, das ist eine wunderschöne Gegend mit vielen Blumen, und als ich bei ihm zu Besuch war, hat er ihn mir für dich mitgegeben.“ „Himei hat gesagt, es ist ein Wasser-Stein, der mir guttut.“ Aryan nickte lächelnd. Ajesa meinte: „Aber ich kann ihn nicht besuchen, um ihm danke zu sagen.“ Aryan lächelte noch intensiver. Dann sagte er: „Im nächsten Jahr kommt Rasho mit drei weiteren Häuptlinge mit Booten, um den Sheya zu besuchen.“ „Kommen... sie auch zu uns?“ „Ja, sie kommen auch zu uns, weil sie in der Nacht hier schlafen werden.“ Ajesa strahlte freudig. „Dann kann ich ihn vielleicht sehen.“ „Durchaus möglich. Rasho mag Kinder sehr gerne. Er hat auch zwei kleine Töchter.“ „Wirklich?“ „Die waren auch sehr neugierig, als wir da waren. Sie wollten unbedingt Himei sehen. Aber bei den Kiye dürfen die Kinder bei solchen Gesprächen eigentlich nicht dabei sein, schon gar nicht, wenn sie noch sehr klein sind.“ Ajesa strahlte. „Bestimmt sind sie aber doch gekommen.“ Aryan lächete. „Ja, sie sind doch gekommen, weil sie ganz gespannt waren und auch gar nicht schlafen konnten, so wie du.“ „Was ist dann passiert?“ „Rasho wollte ein bißchen schimpfen, weil er es extra verboten hatte. Aber Himei hat die beiden zu sich geholt und hat sie neben sich gesetzt, so dass sie alles sehen konnten Und so haben wir zusammen gegessen, und die beiden Mädchen haben Himei sehr gemocht. Sie sind aber auch wunderbare Mädchen und haben ganz lange Zöpfe.“ Ajesa lächelte wissend und schmiegte sich an ihr Kissen.
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