Buch-Leseprobe: Teil 9, Naraita - Geschichten aus der Todai, ein modernes Märchen
- Petra Schrader
- 16. Jan. 2023
- 12 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Jan. 2023

Das Sitzen wirkte. Abeia setzte sich neben den Sheya – die Ränge saßen im Kreis auf asiatisch wirkenden Kissen am Boden. Aber noch niemals hatte Abeia eine solche Wirkung alleine dadurch gespürt, wie jemand saß. Die Menschen vor und neben ihr besaßen eine Präsenz, eine Haltung, eine Ausstrahlung, vor der Abeia sich unfaßbar klein fühlte. Und die dennoch tief wirkte. Die Männer und Frauen saßen tief geerdet. Abeia fühlte sich, als säße sie wie ein Sandsack. Aryan Noja begann ruhig zu sprechen. Er nahm dabei die Hand von Naiu Noja, die neben ihm saß: „Sie sehen, dass wir einen Kreis gebildet haben. Wir möchten damit ausdrücken, dass wir Sie mit großer Freude in unserer Mitte begrüßen. Wir möchten uns Ihnen einmal geschlossen vorstellen und gemeinsame Abläufe besprechen, vielleicht haben Sie Fragen oder Wünsche an uns, vor allem aber sollen Sie einmal meine sehr geliebten Kollegen und Freunde sehen, die in meiner Abwesenheit die Führung Ihres Personenschutzes übernehmen. Ein besonderes Geschenk für unsere Abteilung ist zunächst, dass wir Frauen haben, die Kraft für uns und unsere Abteilung schenken.“ Abeia sah in weiche, offene und freundliche Gesichter. Die Frauen sprachen nicht: Überließen Aryan die Worte. Dieser fuhr bereits fort: „Die Neje tragen uns, unsere Schutzränge und auch die Menschen, auf die wir zugehen im Gebet. Sie begleiten Ränge der Keye, die in Gefängnissen arbeiten – Neje der Keayake begleiten auch einzelne Linien oder auch längere Schutzstellungen, wie Sie es in Berlin erlebt haben.“ Abeia sah, wie Aryan Naiu Noja einen ganz sanften Handkuß gab und sah die tiefe Wärme in Aryans Augen. Dann fuhr der Keto fort: „Die Aufteilung der Zire und der Ketai kennen Sie schon. Mein Vater, der im Moment die Führung der Zentrale für uns übernimmt, so dass was uns wichtig ist. Sie einmal alle Zyra hier sehen, hat diesen Zweig zwanzig Jahre lang als Keto geführt und maßgeblich geprägt. Da ich in dieser Position noch jung bin, steht er mir als Keta zu Seite. Sie wissen natürlich, dass Sie sich jederzeit an ihn wenden können, er ist im aktiven Dienst und in allen Abläufen direkt eingebunden. Ich möchte Ihnen gerne einmal die Ränge an meiner Seite vorstellen, die hier zusammengekommen sind, auch wenn Sie einige schon kennen. Inetai Adaysa steht mit mir gemeinsam in der Leitung. Beresa Adaysa Noja, Regiedo Mariena Harada, Muria Esija Noja. Sie sehen, dass ich im direkten Führungsteam mit der Kraft von vier weiteren Keto beschenkt bin, ein intensives Geschenk für unsere Abteilung und für mich.“ Aryan ging mit der Vorstellung weiter im Kreis: „Yaero Riana Noja, Kiyohara Feriya Noja.“ Der weißhaarige, gelassen wirkende Yaero sagte: „Wir beiden sind die einzigen Deno. Die anderen sind alle Keto. Also wenn Sie was haben: Kommen Sie zu uns.“ Alle grinsten. Aryan Noja legte eine Borde vor sich und sagte zu Abeia: „An diesem Zeichen erkennen Sie den Dienst der Atea. Mein Vater, Inetai, Beresa, Muria, Regiedo, Yaero, Kiyohara oder ich, mindestens einer von uns ist immer in der Todai. Sie kennen viele von uns schon näher, und das ist sehr gut. Ein Atea-Dienst ist eine Beschirmung und daher ansprechbar für jeden in der Szene. Es gibt zu ihm keinen Dienstweg. Dienstwege gibt es zur Dienstführung, zumindest für andere Abteilungen. Ein Atea kann immer angesprochen werden. Atea aga anea die: Der Atea ist der Niedrigste von allen. Ein guter Atea-Dienst ist daran zu erkennen, dass kein Hausdienst, kein Gärtner, kein Chauffeur Hemmungen hat, ihn anzusprechen. Ein guter Atea-Dienst ist daran zu erkennen, dass jeder andere Führungsrang sich von ihm nicht kontrolliert fühlt, sondern gestützt, begleitet und beraten. Ein guter Atea-Dienst ist daran zu erkennen, dass jeder Schutzrang in jeder Stimmung den Weg zu ihm findet und ohne Hemmungen, ohne Befangenheit, ohne Protokollsorge sich ihm anvertrauen kann. Als Atea möchten wir in eine Schicht eine zusätzliche Vertrautheit bringen. Eine Reserve. Einen Springer. Jemanden zum Austausch, zum Rat suchen. Eine linienunabhängige Unterstützung für die Schutzränge, für die Deckränge und für Ränge anderer Abteilungen. Jeder kann wissen, dass wir Zeit haben. Dass wir nicht eingebunden sind, nicht in ein Design, wir können uns bewegen, wir können Gespräche führen, die nicht terminiert sind, wir können etwas trainieren, was nicht auf dem Trainingsplan steht, wir können über etwas sprechen, was nicht dienstlich ist oder scheinbar nicht. Die Arbeiten innerhalb einer Schicht sind für die Ränge intensiv und dicht. Die Atea haben mehr Raum. Deshalb haben sie meist gute Laune.“ Alle lachten. Abeia wagte es nicht, aber sie spürte, wie gut ihr der Humor tat. Sie fühlte sich wie in einem Panzer. Die Anspannung, die Unsicherheit schnürte sie ein. Aber der Humor wirkte tief befreiend. Aryan Noja sprach weiter: „Unsere Zyra sind die Dienstleitungen der Schicht, bewältigen eine hohes Arbeitspensum und müssen es ausbaden, wenn ein Atea nicht in die genauen Linien eingearbeitet ist und sich trotzdem in irgendwas einmischt, womit auch so alle sehr gut alleine klar kämen. Sie haben daher meist schlechte Laune.“ Die Ränge lachten schallend. Abeia konnte es nicht glauben. Wieviel Leichtigkeit im Raum war. Dak Noja sah seinen Keto tief an, und dieser lächelte still. Abeia sah in ein ruhiges, gütiges Gesicht. Silbrig-weiße Haare. Der Körper saß in einer tiefen Präsenz, wirkte gleichzeitig dadurch gleichzeitig stark und zurückhaltend. Der Leiter der Zyra sagte: „Wir freuen uns sehr, dass Sie hier sind, Frau Richter. Aryan hat sich jung genannt, dazu noch in einer rhetorisch sehr kunstvollen Stellung innerhalb des Höheren Amai. Lassen Sie sich nicht täuschen. Beim Tischtennis macht er einen einfach platt.“ Schallendes Lachen. Abeia spürte, wieviel Spaß der Sheya hatte. Dak Noja machte eine weiche Handbewegung. „Ich möchte Ihnen meine Kollegen vorstellen. Kedi und ich stehen gemeinsam in der Leitung; Getai Diria Yamatai, Reyo Yatiya Yamatai, Nomea Abiga Noja, Hagakei Basia Adjadan, Jizea Diria Yamatai, Bireno Heia Noja, Agato Basai Noja, Nasjua Kyokyai Adjadan, Kenkato Aria Noja, Nema Aferei Noja, Ibeja Zai Noja, Bassayeto Nije Noja, Peri Agia Awea, Gojero Abade Awea“. Abeia neigte immer wieder ihren Kopf. Dak Noja nahm die Borde, die Aryan ihm gab: „Dies ist das Zeichen des Leitenden Zyra der Schicht, dieser Dienst ist in der Zentrale der Weißetage stationiert und überblickt von dort die Linien. Ein zweiter Rang unseres Kollegiums befindet sich ebenfalls auf dem Gelände, nachts in der direkten Raumführung der Geya, weitere Ränge werden nach Bedarf kurzfristig zur Führung eingesetzt, wobei uns viele sehr erfahrene und signumsstarke Pare und Führungsbakyo unterstützen. Namio Noja ist der Leitende Pare, Aro Benjae ist der Leitende Bakyo. Beide können im Moment nicht hier sein, weil irgendjemand die Arbeit machen muss.“ Wieder Lachen. Dak Nojas Lachfalten ließen das Gesicht noch wärmer erscheinen als ohnehin schon. „Ich möchte Sie aber nachher gerne einladen, mit nach draußen zu kommen, um besonders Namio kennenzulernen. Die Schutzräume, die wir verantworten, sind auf der direkten Ebene von einem Pare geführt. Dieser ist natürlich nicht in jeder Schicht anwesend, aber er versieht dort einen großen Schwerpunkt seines Dienstes, kennt im besonderen die dort wohnenden und arbeitenden Menschen, die Atmosphäre, die Bedürfnisse und ist ganz, ganz problemlos immer ansprechbar für jeden dort. Namio ist der Raumführer der Residenz von Himei Noja, in der Sie in der nächsten Zeit wohnen werden. Ihn und seine Kollegen werden Sie daher zunächst öfter und näher bei sich erleben als viele der Ränge, die Sie jetzt hier kennenlernen. Natürlich können Sie jederzeit, jederzeit, selbstverständlich auch nachts, sich an uns wenden und Ihre Sorgen oder Fragen an uns richten. Dafür müssen Sie sich nicht zu uns in die Weißetage durcharbeiten; es reicht ein Anruf oder eine Bitte an eine Wache, die Sie sehen, den Kontakt herzustellen. Auch, wenn es sich als falscher Alarm herausstellt, was ganz normal und notwendig ist. Auch, wenn Sie das Gefühl haben, dass gerade viel los ist und alle total wichtig beschäftigt. Es kann Momente geben, in denen wir tatsächlich sehr konzentriert auf etwas Anderes sind. Und damit an der Grenze dessen, um was wir im Moment gut sorgen können. Dafür aber haben wir ein Netz von Kräften, wir haben viele äußerst erfahrene und fähige adlige und nicht-adlige Kollegen mit hoher Führungskompetenz, wir haben immer einen zweiten Zyra in Reichweite, wir können unseren Atea um Hilfe bitten, und bei größerem Kräftebedarf können weitere Atea, die nicht im aktuellen Dienst sind in kürzester Zeit bei uns sein; fast immer ist jemand direkt in der Todai im Dienst seiner zweiten Abteilung; auch die Residenzen sind nicht weit. Es ist immer genug Kraft da, und jemand kann sich Ihnen jederzeit zuwenden und sich am Ende auch über einen falschen Alarm freuen. Unsere Atea waren auch alle Zyra. Auch sie lieben falsche Alarme. Ist noch von früher.“ Wieder Lächeln. Warmes Lächeln. Aryan Noja übernahm wieder und erklärte: „Der diensthabende leitende Zyra ist derjenige, der Ihren Schutz führt. Egal, an wen Sie sich wenden, wer vielleicht gerade in Ihrer Nähe ist oder wen Sie anrufen, letztlich ist er derjenige, bei dem die Wege zusammenführen. Er schaut auf Sie. Er hat den direktesten Zugriff und Überblick über die Szenerien und über unsere Mittel. Auf Ihrem Handy ist der Leitende Zyra die erste Direktwahl. In den meisten Fällen des Alltags werden Sie bei so einem Anruf entweder bei Dak oder bei Kedi landen; einer der beiden begleitet normalerweise den zentralen Tagdienst. Bei den Diensten der Zyra muss man allerdings verstehen, dass diese zwei sehr herausfordernde Arbeitsbereiche verbinden müssen. Jeder Zyra muss erfahren und trainiert sein in aktiven Einsätzen mit und ohne digitale Leitung. Und jeder Zyra muss Kräfte erwerben und aufrechterhalten darin, digital zu leiten. Die Leitung aus der Zentrale heraus ist sehr anspruchsvoll und braucht eine tiefe, ich möchte sagen körperliche Verinnerlichung der Schritte und Prozeduren, die sie entscheidet. Daher wechseln die Zyra von Woche zu Woche zwischen Zentralendienst, Dienst in der Ketai und Dienst in der Zire. Dak und Kedi werden Sie deshalb häufiger antreffen als andere, weil es ein Anliegen der beiden ist, dass mindestens einer von ihnen entweder die Früh- oder die Spätschicht leitet, um an diesem Tag in der Abteilung ansprechbar zu sein. Genauso möglich ist es aber natürlich, dass Sie einen anderen Kollegen erreichen, den Sie vielleicht gerade jetzt am Anfang noch nicht so genau kennen oder sogar den Namen in dem Moment nicht präsent haben. Sie dürfen darauf vertrauen, dass der Kollege Sie aber sehr wohl gut kennt und Sie sich sehr gerne an ihn wenden können.“
Abeias Konzentration irrte ab. Joa sprach – aber Abeia spürte noch immer ihre Unsicherheit und die Wärme, die von den Menschen ausging. So viele auf einmal. So intensiv. Wie konnte man sich so sehr gleichzeitig wohl und unsicher fühlen. Sie war hier richtig. Die Keayake lächelten wieder. Abeia merkte, dass sie dem Sheya nicht zugehört hatte. Aryan Noja neigte seinen Kopf. Dann sagte er zu Abeia, die sofort noch aufrechter saß: „Wir werden jetzt mit einer Tahia-Shijata beginnen. Das ist das exekutive Training der Zyra. Beresa wird das Training führen. Wenn Sie mögen, können Sie gerne bleiben, wir beide setzen uns dazu, und ich erkläre Ihnen, was geschieht und Sie können ein bißchen unsere Arbeit und unsere Kollegen kennenlernen.“ Abeia schluckte. „Ekiarasse.. adaite anai.“
Die Zyra trainierten in Kleingruppen. Abeia saß jetzt mit Aryan Noja auf einer Bank, die an der Seite der Shijata stand. Nur wenige Schritte vor ihr gingen Dak Noja, Getai Yamatai, Agato Noja und Kedi Noja in eine Formation. Abeia sah überrascht, dass Agato Noja sich auf einen Stuhl setzte. Dak Noja stand hinter dem Stuhl. Aryan Noja erklärte: „Das ist eine Erite. Sie sehen hier die grundlegende Struktur eines Schutzeinsatzes. Kedi ist der Angreifer. Agato ist der Schutzrang. Wir haben zwei Deckränge und einen Raum. Wenn wir zwei Räume haben, ist die Verteilung klar. Der äußere Raum wird gehalten; wenn er fällt, übernimmt die Kraft des inneren Raumes die Linie. Schwieriger ist es, wenn nur ein Raum besteht. In diesem Fall gibt es viele mögliche Strategien. Man kann zum Beispiel eng zentrieren, das heißt, ein Deckrang nimmt den Schutzrang an sich und tut sonst zunächst nichts. Dies sieht aus wie ein eigener Raum, ist es aber nicht. Der Unterschied liegt in den gemeinsamen Figuren, die bereits aufgestellt werden. Eine andere Möglichkeit nennt man „Teilen“. Beim Teilen gibt es nicht einen Deckrang, der den Schutzrang hält, sondern beide Deckränge teilen sich diese Aufgabe. Dies würde man dann einsetzen, wenn keine sehr akute Gefahr gesehen wird, denn ein eng zentrierender Einsatz ist für den Schutzrang bedrängend und in einem Protokoll sicher nicht passend. Tatsächlich aber ist ein teilendes Design sehr viel anspruchsvoller. Die Distanz muss sicher kontrolliert und der Raum gut aufgeteilt und klar geführt werden. Das ist das, was Sie hier sehen. Dak übernimmt die Rolle des Führungsrangs. Er führt also den geteilten Raum. Sobald Kedi angreift, wird er die Linie umstellen und seinen Schutzrang eng zentrieren. Dann wird Getai auf Kedi zugehen wie wir sagen, wir sagen nicht „gegen jemanden“, sondern „zu jemandem“, wobei Dak entscheiden muss, ob und wann er ihn unterstützt. Dies wird er danach richten, wie einsatzfähig Getai noch ist und wie der Angreifer reagiert. Dafür gibt es Kommandos, Gesten, es gibt aber auch eine gemeinsame Erfahrung, ein Verbunden-Sein. Dies ist das Eigentliche, was hier gepflegt wird, wir lehren hier keine Technik, denn jeder der Ränge, die Sie sehen, beherrschen diese auf sehr hohem Niveau und stärken sie im täglichen Alltag durch die reale Anwendung. Hier geht es um das Zusammen-Arbeiten, das Einspüren, die Nähe, die Vertrautheit. Jeder muss jeden sehr gut kennen. Dak und Getai sind die beiden Ränge, die diese Verbindung im Moment pflegen. Kedi hilft ihnen bei dieser Verbindung und fordert diese auch heraus, indem er die Anforderung gestaltet.“ Die Ränge standen ruhig. Abeia spürte die Spannung. Konzentration. Weichheit. Aryan Noja nickte. „Das ist jetzt alles Wasser. Erstmal nur spüren, wohin die Strömungen gehen. Noch keinen eigenen Impuls. Wir sind als Deckränge niemals die Impulsgeber. Wir bleiben friedlich, wir geben keine Energie in das System. Dadurch sind wir wach und können sofort eine Energie, die entsteht, bemerken und begleiten.“ Plötzlich ging alles ganz schnell. Schneller, als Abeia es verstand. Getai Yamatai und Kedi waren ineinander verdreht. Dann stand Kedi Noja. Dann lagen beide. Dann war der Angriff vorbei. Die Männer grüßten voreinander und stellten sich wieder in Position. Abeia schluckte. Aryan erklärte: „Kedi hat sich einen Kanal geschaffen, aber Dak hat ihn geblockt. Es entsteht der Eindruck, als hätte Getai ihn alleine abgewehrt, was aber nicht zutrifft. Getai hat den Kanal zugelassen, nicht weil Kedi ihn überwunden hat, sondern weil Dak den Kanal im genau richtigen Moment von Getai übernommen hat. Das war eine ganz weiche, wunderbare firia. Der Tanz zu zweit. Hier ist im zentrierenden Design ein Element des Teilens eingesetzt worden. Im Fußball nennt man das einen blinde Annahme. Sehen Sie es sich genauer an. Dak wendet sich dem Kanal zu, den er übernimmt. Er dreht seine Achse in eine Richtung, in der Kedi noch gar nicht steht. Das ist das Zeichen. Nun ist die Situation stabilisiert, sie ist aber noch nicht gelöst. Der Angriff wurde abgewehrt, aber der Angreifer ist noch nicht gesichert.“ Kedi Noja, der jetzt in einem anderen Winkel stand, lächelte ruhig, ohne seinen Blick zu verändern. Blieb konzentriert. „Frau Richter, Sie haben schon gesehen, dass hier zwei gegen einen stehen, oder.“ Abeia mußte lächeln. „Ja, das ist ungerecht.“ „Ich finde das sehr gut, dass Sie das bemerken.“ Abeia spürte eine plötzliche Leichtigkeit. „Kann ich Ihnen helfen irgendwie?“ Sie mochte Kedi Noja. Der Zyra lächelte. „Oh ja. Kommen Sie zu mir.“ Abeia sah fragend zu Aryan Noja, und dieser lächelte: „Unser Kedi hat nur dunkle Gedanken.“ „Ich finde ihn sehr nett.“ „Warten Sie ab, ob dieser Eindruck anhält.“ Die Männer lachten. Abeia stand auf, und Kedi Noja nahm sie sanft zu sich. „Ich finde es wunderbar, dass Sie mir helfen.“ Getai und Dak wechselten sofort die Positionen. Standen ganz ruhig. Aryan Noja grinste: „Jetzt haben Sie das Kräfteverhältnis empfindlich verändert.“ Abeia hatte plötzlich Spaß: „Mein Beitrag ist eher klein.“ „Er nimmt Sie als Geisel.“ „Oh.“ Die drei Männer stellten sich wieder um. Kedi Noja hielt Abeia ganz sanft. Freundlich sagte er: „Was der da redet.“ Abeia lachte: „Bin ich jetzt Ihre Geisel?“ Kedi meinte: „Nur ein bißchen. Darf ich Sie etwas näher an mich nehmen?“ „Klar.“ Kedi Noja hielt seinen Arm vor Abeia. Aryan Noja erklärte weiter: „Sie sehen jetzt eine neue Aufteilung. Das ist eine sehr schwierige Situation, Agato muss weiter gedeckt werden, eigentlich existiert jetzt ein Bedarf für vier Räume.“ Dak machte zwei Handzeichen. Dann sah er Abeia an. Und plötzlich spürte Abeia einen Ernst. Sie begriff, dass sie nicht zufällig Teil der Übung war. Dass es hier nicht um einen Spaß ging. Dass eine Situation wie diese entstehen konnte: Ganz schnell. Und sie begriff auch, was die Männer ihr vorstellten: Sich selbst. Sie waren es, die in einer solchen Situation da sein würden. Dak Nojas Blick erklärte es ihr. Ohne Worte. Der Leiter der Zyra sagte ruhig: „Möchten Sie mit uns üben?“ Abeia sah sich um. Der Griff von Kedi Noja war ganz sanft. Jetzt verstand sie, dass er eine Waffe andeutete. Sie sagte: „Gerne. Aber was soll ich tun?“ „Nichts.“ Dak Noja stand ganz ruhig. „Überlassen Sie das mir. Dafür müssen Sie mich kennenlernen. Je besser Sie mich kennen, desto leichter ist es für Sie, mich machen zu lassen, auch wenn es ein bißchen heftiger wird. Schauen Sie auf mich. Nehmen Sie Kontakt mit mir auf. Und tun Sie nichts. Gehen Sie mir nicht dazwischen. Möchten Sie das versuchen? Ich bewege mich, und ich bewege auch Sie mit. Keine große Bewegung, nichts Dramatisches. Sie stehen im Moment im Raum eines Angreifers, der ein Messer auf Sie richtet. Damit geht jeder Rang unterschiedlich um, ich setze in so einem Fall fast nie Amytralin ein, zumindest nicht in einer Szene wie wir sie jetzt haben, denn damit entsteht ein Verletzungsrisiko für Sie. Stattdessen werde ich nun auf Ihren Angreifer zugehen und Sie aus dem Raum holen, in dem er Sie hält und in meinen Raum führen, in dem Sie bei mir sind. Dies muss ich tun, ohne dass Sie dabei verletzt werden. Deshalb ist es wichtig, dass Sie nicht versuchen, mir zu helfen. Lassen Sie sich von mir führen.“ Das Wort war gut. Abeia war beim Tanzen. „Ja.“ „Okay.“ Die drei Männer standen still. Auch Abeia stand still. Nichts geschah. Aryan Noja sagte ruhig: „Auf Dak schauen. Er ist Ihr Partner.“ Abeia gehorchte. Verstand nicht, dass eine solche Shijata auch Risiken barg. Und dass Aryan Noja sie dies nicht mit Pare hätte üben lassen. Und dann ging alles ganz schnell. Kedi Noja bewegte sich. Dak Noja bewegte sich. Sekundenbruchteile spürte Abeia einen Druck: Kedi bewegte sie, und Dak Noja bewegte sie auch. Beide Männer hielten sie. Sie drehte sich zweimal. Dann war sie plötzlich hinter Dak Noja. Wurde sanft gehalten. Jetzt war Getai Yamatai über Kedi Noja. Kaum war Abeia nicht mehr in der Nähe der beiden, gingen sie in blitzschnelle und sehr brutal wirkende Bewegungen. Jetzt erschrak Abeia zum ersten Mal. Hatte das Gefühl, dass Getai Yamatai Kedi Noja verletzte. Beide lagen am Boden. Dann war alles ruhig. Für Abeia war nicht ersichtlich, ob einer der beiden „gewonnen“ hatte. Die beiden erhoben sich und grüßten. Aryan Noja nickte: „Sehr gut. Wunderschön.“ Dak Noja ließ Abeia sanft los, legte seine Hand warm auf ihren Rücken und sagte: „Das haben Sie gut gemacht. Danke.“ Kedi Noja grinste unverletzt: „Die gönnen uns nix, Frau Richter. Für mich sind die klar eifersüchtig.“ Abeia mußte lachen.
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