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Buch-Leseprobe Teil 20: Dak Noja - Märchen für Erwachsene.

  • Autorenbild: Petra Schrader
    Petra Schrader
  • 9. Feb. 2023
  • 7 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 25. Juli 2023





Plötzlich war es leichter. Was war es, dass es leichter machte. Der laue Abend? Die heraufgezogene Dämmerung? Die wunderschönen Kerzen? Dass Mesho seine Schnauze wie zärtlich auf Abeias Schoß gelegt hatte und sich von ihr streicheln ließ? Oder dass der Tisch auf der Terrasse von Himei Noja sich langsam geleert hatte: Himei Noja, Kiyohara Noja und Rao waren zum Nachtdienst gegangen. Die Frauen war daran gegangen, die kleineren Kinder ins Bett zu bringen. Ande und Vjeya waren aufgestanden, um noch am Strand entlangzugehen. Dann war Regiedo Harada aufgestanden, um ein Telefonat anzunehmen. Auf einmal hatte Abeia alleine mit Dak Noja da gesessen. Und langsam war eine tiefe Ruhe in Abeia gewachsen. Sie hatte noch viel zu wenig Kenntnisse über die Zusammenhänge des Protokollls und des gemeinsamen Lebens in Naraita und auf der Edoa. Sie verstand nicht im Ansatz, was es bedeutete, dass Regiedo Harada vom Tisch aufgestanden war. Was das aussagte über Dak Noja, dem sie nun anvertraut war. Aber auch ohne zu verstehen spürte sie, wie sie langsam zur Ruhe kam. Wie Dak Noja das gemeinsame Sitzen angenehmer machte - auf eine unerklärliche Art. Irgendwann begann Abeia das zu erzählen, was ihr schon lange auf der Seele lag. Vielleicht schon sehr lange.


Abeia atmete aus. „Kann ich.. Sie mal was fragen?“ Dak Nojas Hände lagen in seinem Schoß. „Na klar.“ Das Kerzenlicht warf ein warmes Licht auf sein Gesicht. Abeia meinte: „Ich würde gerne besser verstehen.. was ich falsch mache. Was ich besser machen kann. Und ganz am Anfang, als ich von den Keayake erfuhr und.. noch keinen kannte, also nicht ganz am Anfang, aber später als.. ich das irgendwie alles besser eingeordnet hatte, da habe ich mir vorgenommen: Irgendwann. Wenn du jemanden triffst, den du dich zu fragen traust. Dann fragst du ihn.“ Dak Nojas Blick war tief aufmerksam. Sanft und warm. Leicht. Ruhig. Dieser Blick war für Abeia wie Balsam. Der Zyra meinte: „Da bin ich geehrt.“ Abeia atmete aus und sah kurz zum Meer. Dann sagte sie: „Ich bin jetzt ein Jahr hier. Also bei.. Ihnen, also.. hier auf dem Gelände. Am Anfang dachte ich.. ich dachte natürlich, dass es so weitergehen würde. Wie immer. Dass.. es Männer geben würde, die..“ Sie machte eine hilflose Handbewegung. „Die mich bedrängen. Also vielleicht nicht gerade.. der Shijo, ja. Aber so von allen hier.. und auf dem Gelände und.. es sind ja nun nicht alles Shijoa-Ränge hier, verstehen Sie was ich meine. Ob vielleicht auch die Älteren oder die Jüngeren.. meist waren es entweder grad die Älteren oder die Jüngeren. Ich war einfach davon ausgegangen, dass es so weitergeht. Aber.. das passierte nicht. Tatsächlich.. hat mich hier überhaupt niemand bedrängt. Nicht einmal.“ In Dak Nojas ruhige Miene mischte sich etwas, was Abeia schlecht deuten konnte. Eine Art von Strenge. Die aber nicht sie meinte. Sie war wie woandershin gerichtet. „Gut.“ Abeia atmete wieder aus. „Mir ist.. vor einiger Zeit erst richtig klar geworden.. was hinter meiner Angst vor den Noja steht. Also das mit meiner Mutter und dem Nadeln und der Todai und das alles.. ja auch. Aber ich glaube, im Kern... war es die Idee, dass die Männer, die mich bedrängen jetzt.. plötzlich so.. sind. So voller Kraft und mit.. Waffen und.. so ausgebildet.“ Dak Noja saß sehr ernst. „Ganz verständlich.“ „Ich meine, natürlich.. nicht alle, aber ich dachte halt.. ich dachte, es gibt immer ein paar. Es war überall so. Und irgendwie dachte ich, so ein Keayake.. also wenn du hier spazieren gehst und da steht plötzlich einer mit einer Waffe und will.. dich anfassen, dann hast du aber echt.. ein altes Problem in einer neuen Dimension. Oder als ich verstand, dass nachts auch immer draußen Leute stehen, die jederzeit ins Haus können, da.. habe ich dann immer mein Zimmer von innen abgeschlossen, aber ich dachte auch, wenn.. da jemand von denen reinwill, die wissen bestimmt, wie man sowas aufbekommt.“ Dak Noja sah Abeia ernst an. Abeia hatte Tränen in den Augen. „Es tut mir ja auch leid.“ „Das muss Ihnen nicht leid tun.“ „Ande hat... mit dann geholfen. Er hatte es gemerkt, wie weiß ich nicht.“ Dak nickte. Abeia sagte leise: „Er hat gar nichts gesagt, nichts.. erklärt oder so. Oder versucht, mich zu überzeugen. Er hat mir so einen kleinen Clip gegeben und gesagt, wenn ich den drücke, dann wird er sofort alarmiert. Ich hatte ihn immer in der Tasche am Anfang und nachts am Bett, und dann fühlte ich mich besser. Irgendwann habe ich ihn dann immer öfter vergessen tagsüber, und nach ein paar Wochen habe ich ihn Ande zurückgegeben. Da kannte ich alle besser, und.. auch.. Ihr Sohn hat dann öfter mit mir gesprochen abends. Er hatte glaube ich das auch irgendwie gemerkt.“ Dak nickte und lächelte warm. Abeia fuhr sich durch die Haare. „Ihr Sohn ist sehr, sehr nett. Ich mag ihn wirklich sehr, ich hatte als ich ihn kennenlernte.. unmittelbar keine Angst vor ihm.“ „Das freut mich sehr.“ „Er ist so, so freundlich und dabei aber... so tief ruhig und man.. merkt irgendwie, dass er mehr kann als es scheint. Ich.. mag sowas.“ Abeia wunderte sich selbst über ihre Worte. Dak Noja lächelte nur warm. „Wir mögen sowas auch.“ „Er hat mir immer wieder viel erklärt, und dann... hat er mit der Zeit mir alle vorgestellt, die nachts... auch da sind. Aber er hat.. wie soll ich das sagen. Er war immer dabei und hat gesprochen, und er... ich hatte das Gefühl, dass er nicht sagt: Wenn ich nicht da bin, dann ist der hier da. Sondern... er sagte ich bin immer da. Das sind.. meine Leute. Das klingt seltsam, oder.“ „Kein bißchen.“ „Also die Idee, dass es einen Ort gibt, wo gar keine Männer sind, die mich bedrängen, die kam mir glaube ich nicht. Das war eine.. neue Erfahrung für mich. Und es machte das hier auch.. zu einem sicheren Ort. Aber irgendwie weiß ich doch, dass damit.. das Problem nicht gelöst ist.“ Dak Noja saß ruhig. Abeia sah ihn an. „Ich.. bin nicht selbstbewusst. Ich kann nicht richtig auftreten. Ich weiß nicht woran es liegt. Hab sogar schonmal einen Selbstverteidigungskurs gemacht. Dort wurde ich auch..“, Abeia sah zum Meer und wartete, bis die Tränen aus den Augen gingen. „Also: Es ist nie etwas passiert. So soll das jetzt nicht klingen. Es ist nie dazu gekommen. Verstehen Sie.“ Dak Noja nickte. „Ja, ich verstehe.“ Seine Miene sah ernst aus. Abeia wischte sich schnell eine Träne ab. „Niemand von meinen Freundinnen geht es so. Es liegt an mir. Ich habe immer mehr angefangen.. Dinge zu meiden. Ich bin weniger ausgegangen, nicht mehr zu Partys und.. so etwas. Zuletzt bin ich nicht mal mehr ins Kino gegangen. Ich hab auch damals überlegt, ob ich eine Therapie machen soll oder so. Und am Strand habe ich gesten wieder gesehen, wie Jinai und Bareo diese Übungen machen.. und dann ist Odenei Kiyohara gekommen und hat ihnen geholfen, am Ende hat er dann dieselbe Figur gezeigt. Und sogar ich sehe, es ist... soviel besser. Schon die Körperhaltung.. die Ausstrahlung. Sie haben genau das, was mir fehlt. Ich trau mich ja nicht, aber ich frage mich... ob das mit mir nicht auch mal jemand machen könnte. Also dass ich irgendwie.. vielleicht ein anderes Auftreten bekomme oder so. Ich weiß es auch nicht.“ Stille. Abeia fuhr sich durch die Haare. Legte ihre Hände ratlos auf Meshos Rücken. Der Tae schmiegte sich an sie. Dak Noja antwortete noch nicht. Saß nur und sah sie sanft an. Dann sagte er: „Wissen Sie eigentlich, was Sie da gerade tun?“ Stille. Abeia hielt inne. „Was?“ „Sie streicheln Mesho. Sowas sieht man offen gesagt: nicht häufig. Das müssen Sie mal den Awakai erzählen, die wollen da glatt n Foto von.“ Abeia guckte verwundert. Nahm die Hände weg. „Mag er das nicht?“ Dak Noja meinte: „Was glauben Sie?“ Abeia war verunsichert. „Ich dachte, schon..“ „Ja.“ „Er ist doch schon etwas... verschmust oder.“ Dak Noja grinste. „Nein.“ „Aber er kommt jedes Mal.“ „Ja.“ Dak Noja lehnte sich etwas zurück. „Zu Ihnen.“ Abeia sah ihn ratlos an. „Ich verstehe nicht.“ „Er sucht sofort Ihre Nähe.“ „Naja nicht speziell.. meine.“ „Und ob. Achten Sie mal drauf, es sind immer im besonderen die Wächter, die in Ihrer Nähe liegen und mit Ihnen Körperkontakt halten. Sich streicheln lassen oder Sie in anderer Weise berühren. Mit dem Kopf auf den Füßen liegen. Immer Kontakt anbieten. Nicht nur die beiden von hier, sondern auch die beiden von uns drüben, wenn Sie auf sie treffen. Mesho, Bai, Muna und Ribo. Immer diese vier. Und zwar war es so von der ersten Minute an. Ich wollte meinen Tae langsam an Sie heranführen, da lag er schon zu Ihren Füßen. Er war zwar weiter weg, weil ich ihn nicht näher herangelassen habe, aber er lag genau in dieser Position. Eine ganz eindeutige Geste. Das war schon ein Anblick für mich, das muss man mal sagen.“ Abeias Blick war weich. „Ich dachte, die vier sind.. besonders verschmust.“ Dak Noja lachte auf. Das Lachen wirkte ehrlich und immer noch sanft. Dann sagte er: „Die vier, Frau Richter, sind Wächterhunde aus den Foa-Linien der Aroka. Sie sind die stärksten Raubtiere unseres Landes. Anfassen lassen sie sich überhaupt nur von Firo, denen sie sich im Vertrauen und in der Anerkennung ihrer Stellung als oberster Leithund für sie unterworfen haben. Glauben Sie mir: Wächter-Tae sind rauhe Gesellen. Einen Wächter-Tae zu führen und an sich zu binden ist eine ganz andere Hausnummer als bei allen anderen Rudelpositionen. Himei und Muria führen die vorderen, Ande und ich die hinteren Wächter, die wir hier haben, und wir führen wie jeder andere Firo auch die Wächter der jeweils anderen, das heißt, sie vertrauen und gehorchen uns. Aber ich würde Mesho nicht streicheln. Und auch Ande würde das, was Sie da tun, nicht bei Muna tun.“ Abeia war verwirrt. „Sollte ich.. das Anfassen lieber lassen? Ist es vielleicht.. doch gefährlich?“ „Für Sie nicht.“ Dak Noja lehnte sich noch etwas zurück und sah Abeia an. „Er ist der Wächter. Und Sie sind das zarteste Wesen seines Rudels. Sie gehören zusammen. Er wird Ihnen niemals etwas tun. Dieser Hund wird sich für Sie zerreißen lassen. Er ist dafür geboren, Zartes zu schützen. In einem Rudel sind die Wächter zuständig für die sehr zarten Hunde und für den zentralen Leithund. Der zentrale Leithund muss aufgrund seiner Rolle für das ganze Rudel geschützt werden. Aber noch intensiver verbunden sind die Wächter mit den zarten Hunden. Bei den Tae sind diese Hunde meist golden. Goldene Hunde haben sehr wichtige Aufgaben im Rudel. Dafür sind sie geboren. Aber wissen Sie, wofür sie nicht geboren sind? Sich zu schützen.“ Stille. Abeia saß reglos. Dak Noja trank einen Schluck und sagte: „Sehen Sie, dafür haben die Noja auf der Edoa so einen schlechten Ruf. Dass ich nun hier sitze und eine Hochajani mit einem Hund vergleiche. Ein Yamatai oder ein Harada wären darüber ehrlich entsetzt. Das nächste Mal würden Sie nicht an meinem Tisch platziert werden. Das ist für die Schutz.“ Abeia saß noch immer reglos. Sah den Zyra an und sagte berührt: „Ich bin nicht golden.“ Dak Noja setzte sein Glas ab. „Nein?“ „Warum glauben Sie das.“ Dak Noja antwortete: „Weil ich ein Wächter bin.“



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